Air München Interwiew vom September 1969 mit Mattias Gleim, kaufmännischem Direktor der Bavaria Fluggesellschaft:
AIR MÜNCHEN:
Herr Gleim, zur Zeit werden 6 innerdeutsche Strecken von Bedarfsluftverkehrsgesellschaften in Zusammenarbeit mit der Deutschen Lufthansa planmäßig beflogen. Ihr Unternehmen, die Bavaria-Fluggesellschaft, bedient täglich die Strecken München—Hannover und zurück. Wie sehen die Regelungen mit der Deutschen Lufthansa aus?
MATTHIAS GLEIM (BAVARIA Fluggesellschaft):
Unser Vertrag beinhaltet unter anderem, daß wir die Strecke auf eigenes wirtschaftliches Risiko befliegen, aber Lufthansa ihre Verkaufsorganisation für uns zur Verfügung stellt und die Boden-Abfertigung übernimmt; dafür erhält Lufthansa von den Verkehrserlösen eine Commission, die in etwa den Sätzen eines Generalagenten entspricht. Somit buchen alle IATA-Agenten, natürlich auch alle Interline-Verkaufsbüros für diese Strecke, die im übrigen unter LH-Flugnummer durchgeführt wird.
AIR MÜNCHEN:
Welche Erfahrungen haben Sie mit der Strecke München—Hannover gemacht? Konnte das Fluggastaufkommen für diese Strecke gesteigert werden?
MATTHIAS GLEIM (BAVARIA Fluggesellschaft):
Das Aufkommen auf der Strecke München—Hannover ist, wenn man bedenkt, daß der Non-stop-Dienst erst seit 1. April d. J. beflogen wird, als relativ zufriedenstellend zu bezeichnen. Der break-even, um wirtschaftlich ertragreich zu fliegen, liegt bei dem eingesetzten Gerät — der 84 sitzigen BAC 1-11 — hier bei 34 Passagieren, und wir haben bei dieser Strecke eigentlich nicht damit gerechnet, daß dieser break-even point in der Anlaufzeit überschritten wird, was dann doch eintrat. Die Strecke hat sich gut eingeführt, die gezielten Werbemaßnahmen sind offenbar in den entsprechenden Kreisen gutangekommen. Die Strecke wird bevorzugt von Geschäftsreisenden frequentiert, was bedeutet, daß in der Ferienzeit zumindest eine gewisse Stagnation nicht ausbleiben kann.
Wir bedauern nur sehr, daß wir diesen Verkehr während der Sperrzeit des Flughafens Riem einstellen mußten, obwohl wir mit unserem Touristikverkehr ex Neubiberg operierten.
AIR MÜNCHEN:
In der Hauptreisezeit sind die deutschen Chartergesellschaften erfahrungsgemäß voll ausgelastet. Konnten Sie den planmäßigen Dienst mit den Touristik-Flügen vereinbaren, ohne zusätzliches Fluggerät anzuschaffen oder zu chartern?
MATTHIAS GLEIM (BAVARIA Fluggesellschaft):
Wir konnten in Zusammenarbeit mit der Lufthansa den Flugplan München—Hannover und zurück so in die Umläufe unserer Maschinen einplanen, daß wir frühmorgens mit einem Flugzeug München—Hannover mit sofortiger Umkehr nach München operieren, dann geht die Maschine in den Touristikverkehr, und abends wird ein Flugzeug in gleicher Form wieder in den Linienverkehr München—Hannover eingesetzt, so daß es möglich ist, wenn z. B. diese beiden Linienflugpaare von einer Maschine bedient werden, dieses Gerät in der Zwischenzeit entweder für zwei kürzere Flüge oder einen weiten Flug ex München im Touristikverkehr einzusetzen.
AIR MÜNCHEN:
Sehen Sie Möglichkeiten, nach Ihren bisherigen Erfahrungen, diese planmäßigen innerdeutschen Dienste auszuweiten, oder müßten die Grundlagen (Abmachungen mit DLH und einzelnen Bundesländern) dann geändert werden?
MATTHIAS GLEIM (BAVARIA Fluggesellschaft):
Es bestehen zweifellos gewisse Möglichkeiten, weitere innerdeutsche Dienste zu übernehmen. Wir sind hier in ständiger Verbindung sowohl mit der Deutschen Lufthansa AG. als auch mit den interessierten Ländern. Es ist auch bereits ein weiterer Liniendienst, nämlich Hannover—Stuttgart, an die Bavaria übergeben wor- den, welche diesen Dienst ab 1. 11., also mit Beginn des Winterflugplans, mit werktäglich einem Flugpaar durchführt. Der entsprechende Gegenkurs hierzu wird von der Lufthansa selbst beflogen. Die Frage der Ausweitung auf Dienste gleicher Art kann nicht generell abgeklärt werden; es kommt dabei immer auf den einzelnen Fall an. Es besteht bei uns zwar das Interesse, solche Dienste auch weiterhin zu übernehmen, allerdings ausschließlich unter der Voraussetzung, daß die jeweilige Strecke verspricht, mit wirtschaftlichem Erfolg beflogen werden zu können.
AIR MÜNCHEN:
Beabsichtigen Sie, in naher Zukunft Ihren Flugzeugpark zu vergrößern? Wenn ja, mit welchen Typen?
MATTHIAS GLEIM (BAVARIA Fluggesellschaft):
Wir haben eine weitere BAC 1-11 – also unsere dritte – geordert und erhalten dieselbe in den ersten Monaten des kommenden Jahres. Ferner ist Ihnen wahrscheinlich bekannt, daß wir von den Vereinigten Flugtechnischen Werken in Bremen 3 Optionen für die VFW 614 genommen haben. Wenn diese Maschine technisch so entwickelt wird, wie sie sozusagen auf dem Reißbrett zu werden verspricht, glauben wir, mit diesem ersten deutschen Düsengerät — das wir übrigens als erste deutsche Gesellschaft bestellt haben — auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine sehr praktikable Ergänzung unserer Flotte zu erhalten.
Wir beabsichtigen, dieses Gerät ebenfalls — wie bisher die BAC 1-11 — sowohl im Touristik- als auch im Liniendienst einzusetzen. Natürlich beschäftigen wir uns im Rahmen der Planung auch bereits mit den Möglichkeiten, unsere Flotte in den folgenden Jahren weiter zu ergänzen, aber wie Sie selbst wissen, sind hierfür immer umfangreiche Untersuchungen, sowohl bezüglich der Marktforschung als auch in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht notwendig, die noch nicht abgeschlossen sind.
AIR MÜNCHEN:
Wie beurteilen Sie die Stellung Ihres Unternehmens im Rahmen der deutschen Flugtouristik in den nächsten Jahren?
MATTHIAS GLEIM (BAVARIA Fluggesellschaft):
Wir glauben, daß die Flugtouristik auch in kommenden Jahren weiterhin expandieren wird, das aber in einem vernünftigen Rahmen und glauben, unsere Gesellschaft ebenso, basierend auf den Prinzipien gründlichen kaufmännischen Denkens, an diesem Zuwachs partizipierend einschalten zu können. Es ist zweifellos, daß der Konkurrenzkampf schärfer wird, das Jetgerät am deutschen Markt hat sich vermehrt, wenn jedoch das Angebot ausländischer Carrier zu Dumpingpreisen weiter zunimmt, kann auch die Wirtschaftlichkeit der deutschen Luftverkehrsunternehmen bedroht werden; es gibt gewisse ausländische Unternehmungen, die z. B. einen Exportbonus erhalten, der einer Subventionierung gleichkommt.
Ferner haben viele dieser ausländischen Unternehmungen niedrigere Kosten, z. B. hinsichtlich des Niveaus der Löhne und Gehälter sowie sonstiger Generalkosten. Wir können hier nur hoffen, daß durch behördliche Maßnahmen das entsprechende Gleichgewicht zwischen den an diesem Verkehr teilnehmenden Gesellschaften gehalten und daß Sorge für einen echten Wettbewerb bei gleichen Startkonditionen getragen wird.
Quelle: Air München 3/69 Heft 28 (Seite 15 + 16)